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Olympiasieger zum Anfassen

Linie Rowers
Rudern Rudern
Linie Rowers

Philipp Wende an der Trebsener Oberschule


Zum Anbeißen: Die Trebsener Oberschüler Oliver Bergmann, Tizian Buhl und Paul Rummel genießen den Moment, als sie die olympische Goldmedaille in den Händen halten dürfen. Trebsen. Wie hoch ist er denn nun wirklich? 1,99 oder doch nur 1,97 Meter? Die Angaben in der Fachliteratur schwanken. Ruderer Philipp Wende lacht: "Kommt drauf an, wann du misst. Tendenziell bist du abends kleiner als morgens, weil die Gelenke im Laufe des Tages zusammen rutschen." Egal, spätestens seit seinem Londoner Olympiasieg 2012 im Doppel-Vierer ist der fast Zwei-Meter-Hüne eh der Größte. Gestern leitete der 28-jährige Wurzener Ausnahmeathlet die Sportstunde der Trebsener Zehntklässler. Sogar Deutschlehrerin Jenny Müller lässt sich den Termin in der Turnhalle nicht entgehen.
Kein Wunder: Jenny und Philipp sind schon seit langem ein Paar. "Wir haben uns bereits während unserer Schulzeit im Wurzener Lichtwer-Gymnasium kennen gelernt, waren Klassenkameraden." Dass ihre Lehrerin klasse ist, wissen die Trebsener Mädchen und Jungen bereits. Dass sie sich aber so einen "dollen Hecht" geangelt hat, ist ihnen neu. Nein, das hätten sie sich nie und nimmer träumen lassen: Einmal von einem waschechten Olympiasieger unterrichtet zu werden. Noch dazu multimedial!
Denn bevor es auf die bereit liegenden Matten geht, wirft Philipp Wende einen Filmausschnitt seines spannenden Olympiarennens an die Wand. Noch heute bekomme er beim Anblick des Zieleinlaufs eine regelrechte Gänsehaut: "Es war der absolute Wahnsinn. Die 40 Meter hohen Tribünen mit 35000 Zuschauern standen erst im letzten Abschnitt der Regattastrecke. Diese Kulisse, diese Begeisterung, dieser Lärm - wir waren fast erschrocken, als wir in diesen Tunnel einfuhren. Du kriegst kein einziges Kommando mehr mit." Erst hinter der Ziellinie habe er wieder etwas gehört - den Ausruf seines Teamgefährten: "Wir sind die Geilsten!" Die Trebsener Schüler lachen. Vor ihnen steht kein Gott, sondern ein ganz normaler junger Mann. Der Sportsoldat hat vor drei Wochen sein Studium an der Bergakademie in Freiberg erfolgreich beendet. Nun kann er sich Diplom-Ingenieur für Geotechnik und Bergbau nennen. Das jedoch sei kein Grund, die Beine hochzulegen. Im Gegenteil: Nach dem studienbedingten Jahr Wettkampfpause will er nun wieder angreifen. Von Montag bis Sonnabend trainiert Philipp Wende auf der Elbe in Dresden härter denn je, drei Einheiten täglich, insgesamt 30 Stunden die Woche. Der Mann von der Rudervereinigung Wurzen, der sogar im Dresdener Bootshaus übernachtet, kann nur am Wochenende in seine Heimatstadt kommen. Ab und zu auch mittwochs, weil er da nachmittags frei hat.
Seit vielen Jahren ein Paar: Trebsens Deutschlehrerin Jenny Müller und Wurzens Olympiasieger Philipp Wende. Sportlehrerin Renate Kuhnert, in jüngeren Jahren selber Mitglied bei der Wurzener Rudervereinigung "Schwarz-Gelb", sitzt auch heute noch gern im Boot: "Philipp, erzähl' uns noch was über Euer Missgeschick bei der WM 2011 in Slowenien." Wende ist gut vorbereitet. Er zückt abermals eine DVD und kann den Schülern sogar die Bilder des Rennens zeigen: "Wir führen klar. Kurz vor Schluss ziehen wir einen Krebs, wie das im Ruder-Chinesisch heißt. Lauritz Schoof kommt aus dem Takt, die Ruder verkeilen sich, wir bleiben fast stehen. Australien überholt uns, wir werden nur Zweiter."
Dann dürfen Oliver Bergmann, Tizian Buhl und Paul Rummel sogar anfassen. Die olympische Goldmedaille! "Hier beißen die also immer rein", sagen die Jungs. Doch Philipp Wende stellt klar: "Ich stehe nun nicht immer vor dem Spiegel und brüste mich mit ihr. Aber gerade wenn es im Training mal nicht läuft, ist so eine Goldmedaille eine echte Motivation. Ansonsten zählen Erfolge von einst im harten Wettkampfgeschäft nichts. Du musst dich im Einer jedes Jahr von Neuem für einen Platz im Boot qualifizieren. Anfang September 2014 ist die nächste WM, diesmal in Amsterdam. Da will ich wieder mit dabei sein." Die Deutschen brauchen ihn. Nicht nur wegen seiner sportlichen Leistungen, sondern weil Philipp auch jener Mann ist, der den internationalen Journalisten auf Englisch Rede und Antwort steht. Bloß gut, dass wir in der trockenen Turnhalle sitzen, denken die Trebsener Schüler. Philipp Wende sieht das ganz anders: "Der Nieselregen da draußen wäre perfekt für uns Ruderer. Die Tropfen brechen die Oberflächenspannung des Wassers, dadurch gibt es so gut wie keine Wellen. Der Fluss ist spiegelglatt." Wer wüsste das besser als Paul Lucas Strunz und Robert Zech. Die Trebsener Oberschüler sind selbst erfolgreiche Ruderer und fischten bei Wettkämpfen schon manche Medaille.
Wo Philipp Wende trainiere, wenn die Elbe zugefroren ist, wollen die Trebsener wissen. "Wir rudern auch noch bei minus fünf Grad Celsius. Außerdem machen wir Krafttraining, spielen Fußball, gehen Schwimmen oder laufen Ski. Aber natürlich werden wir in der kalten Jahreszeit nicht selten zu Zugvögeln und flüchten in südlichere Gefilde - nach Frankreich oder Portugal, um intensiver arbeiten zu können."
Stichwort Arbeit. Ran an die Bouletten! Philipp Wende bittet die Schüler an die Stationen des Kraftkreises. Rumpfheben, Liegestütze, Hockstrecksprünge - das ganze Programm eben. Sogar mehrere Ruder-Ergometer hat er dabei. "Und eins und zwei und drei ..."

Aus der Leipziger Volkszeitung / Muldentalzeitung vom 9./10. November 2013