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Mulde-Hochwasser

Linie Rowers
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Nach elf Jahren wieder eine Jahrhundertflut


Treffpunkt für Hochwassertouristen: Am Wurzener Dreibrückenbad war gestern Verkehr als habe das Bad geöffnet. Die Menschen verfolgten dort die Situation mit dem kontinuierlich steigenden Pegel der Mulde. | Foto: Ines Alekowa Muldental. Gestern Nachmittag um 15 Uhr war die Hoffnung dahin, mit einem blauen Auge davonzukommen: Nur elf Jahre nach der Jahrhundertflut sorgt die Mulde erneut für eine Hochwasserkatastrophe. "Wir müssen mit HQ100 rechnen", stellte ein sichtlich betroffener Landrat Gerhard Gey fest. HQ100 - das ist die Begrifflichkeit bei Fachleuten für ein Hochwasser, wie es alle 100 Jahre eintreffen könnte.
Die Prognosen, die im Katastrophenschutzstab in der Grimmaer Zille-Straße gestern Nachmittag ausgewertet wurden, lagen nur noch knapp unter den Werten von 2002. Damals seien 2600 Kubikmeter pro Sekunde durch die Mulde geströmt, eingestuft als HQ200, so Gey. Diesmal rechne man mit 1900 Kubikmetern. Die größte Welle komme laut Vorhersagen in den frühen Morgenstunden des Montags. Die Talsperre in Eibenstock lief zum Zeitpunkt der Analyse bereits über, der befürchtete Durchfluss lag sogar über dem Wert von 2002.
Unmittelbar nach der Lagebesprechung wurden die Kommunen informiert, Evakuierungen liefen an. Besondere Schutzmaßnahmen wurden am Wasserwerk in Canitz vorgenommen. Eine Überflutung bringt die Wasserversorgung der Stadt Leipzig in Gefahr.
Die Hoffnung, glimpflicher davon zu kommen, hatte gestern bereits um 11.30 Uhr einen Dämpfer bekommen. Zu diesem Zeitpunkt sahen die Verantwortlichen keine andere Möglichkeit mehr, als Katastrophenalarm für das Gebiet der gesamten Mulde im Landkreis Leipzig auszurufen. Betroffen waren die Orte Sermuth, Kössern, Kleinbothen, Schaddel, Höfgen, Grimma, Dorna, Bahren, Golzern, Nerchau, Wednig, Zöhda, Neichen, Pauschwitz, Trebsen, Walzig, Nitzschka, Pausitz, Schmölen, Dehnitz, Bennewitz, Deuben, Dögnitz, Lübschütz, Grubnitz, Nepperwitz, Wasewitz, Canitz, Püchau, Kollau und Thallwitz. Neben den örtlichen Hilfskräften wurde die aktive Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW) sowie der Bundeswehr über das Verbindungkommando angefordert. Das Innenministerium wurde eingeschaltet, zusätzliche Hilfskräfte wurden angefordert. Zur Hochwasserabwehr wurden Einsatzabschnitte in Wurzen, Grimma und Colditz gebildet.
Um 17.07 Uhr teilte der Katastrophenschutzstab mit, dass am Montag und Dienstag der Busbetrieb der PVM eingestellt wird und somit der Schülerverkehr ausfällt. Es ging der Appell an die Eltern, die Kinder möglichst zuhause zu betreuen. Der Schulbetrieb falle aus, für Betreuung werde aber gesorgt. iInformationen zur Lage erteilt der Landkreis unter 03437/9842222 oder online unter www.landkreisleipzig.de


Mit großen Sorgen in die Nacht: Hoffnung in Bennewitz auf haltende Deiche / Wurzen auf Notsituation vorbereitet


Wurzen/Nemt/Bennewitz. 13 Uhr. Die Parkplätze rechts und links der Muldebrücke, in Bennewitz und am Dreibrückenbad in Wurzen, wurden wohl selten so häufig angefahren wie gestern. Dutzende zog es trotz des strömenden Regens, mit Gummistiefeln und Regenjacke bewaffnet, ans Muldeufer, um einen bangen Blick auf den Fluss zu werfen.
Wo die Wiesen enden und normalerweise das Flussbett anfängt, ragen nur noch einzelne Baumkronen aus dem Wasser. Polder und Mulde sind eins - aber noch erfüllen erstere offenbar ihren Zweck. Bis zur Deichkrone ist hier gestern Nachmittag noch einige Luft. Hinterm Deich auf Bennewitzer Seite hingegen steht stellenweise das Wasser. "Das ist nur Grundwasser", beruhigen Kameraden der Pausitzer Wehr. "Der Deich ist dicht."
Trotzdem informiert die Feuerwehr wenig später per Lautsprecher, dass die Alarmstufe vier ausgerufen ist, fordert die in unmittelbarer Muldennähe Wohnenden auf, Wertsachen in Sicherheit zu bringen. "Nach den neuesten Meldungen erwarten wir ein HQ 100, ein hundertjähriges Hochwasser", informiert Bernd Luaqua, Koordinator im Lagezentrum Bennewitz. "Wir gehen zwar nicht davon aus, dass es über den Deich geht, aber die Lage ändert sich stündlich. Wir bereiten alles für eine eventuelle Evakuierung vor." Die Bewohner von Deuben und Grubnitz wären dann die ersten, die aus ihren Häusern müssten. In Bennewitz und den Ortsteilen Schmölen, Grubnitz und Nepperwitz habe man Sandsäcke verteilt.
Voll erwischt hat es hingegen den Wurzener Schützenhof, der unmittelbar am Muldeufer steht und völlig von den Wassermassen eingeschlossen ist.Am Freitag hat sich Gerd Bretschneider noch mit Gummihosen über den versunkenen Wiesenweg gewagt, die Feuerwehr, von einem aufmerksamen Bürger informiert, hätte ihn beinahe mit dem Boot aufgesammelt, erzählt er. Da habe das Wasser schon 50 Zentimeter im Hof gestanden, auch in den Garagen. Im Saal noch nicht. "Ich habe sogar noch die Stühle hochgestellt", erzählt Bretschneider. Gestern indes wagte er den Weg nicht mehr, konnte die Lage nur mit dem Feldstecher von der Brücke aus abschätzen. Gut möglich, schätzt er, dass das Wasser nun auch im Schützenhaus steht, weil die Mulde über den Keller ins Haus drückt. Land unter auch in Nemt. Hier hat der sonst schmale Mühlbach stellenweise eine Breite von zehn, zwanzig Metern erreicht.
"Die Lage ist prekär", stellte Amtsleiterin Bernadett Wagner gestern gegen Abend im Lagezentrum des Wurzener Rathauses fest. Die Feuerwehr sei im Einsatz, Deichläufer würden kontrollieren. Unter anderem in Schulen seien Notunterkünfte eingerichtet, ergänzte Stadtsprecherin Cornelia Hanspach, und auch Privatpersonen hätten Quartiere zur Verfügung gestellt, auch für die Helfer. Alle Notmaßnahmen seien vorbereitet, so Wagner. "Wir hoffen, dass wir sie nicht brauchen." Gewissheit aber gab's nicht. Vielmehr Sorgen. Große Sorgen.




Aus der Leipziger Volkszeitung / Muldentalzeitung vom 03. Juni 2013